Das Berliner Schloss – Humboldt Forum ist ein einheitlich konzipiertes Gebäude, eine Kombination aus dem rekonstruierten barocken Bauteil des alten Schlosses (samt seiner später gebauten Kuppel) und fünf neu-konstruierten modernen Baukörpern. Vortreffliche Figuren der Architektur und der Stadträume – etwa der Palazzo, das Stadttor, die Piazza, das Forum und das Theater– halten Alt und Neu jeweils in harmonischen Ensembles zusammen.
Das neue Schloss als ‚Palazzo‘
Der neue Ostflügel ist der Idealvorstellung des barocken Schlosses als ‚vierflügelige Palastanlage‘ verpflichtet. Sein Ausmaß und seine Lage beziehen sich auf den ‘vierten’ von Andreas Schlüter gedachten und nicht realisierten Flügel, der die existierenden Bauten der kurfürstlichen Residenz ersetzen sollte. Auch die Architektur der Fassade, die von drei gleich hohen unteren Geschossen mit gleichem Fensterachsenabstand und einem Attikageschoss geprägt ist, bestätigt die Zugehörigkeit des Alten und Neuen zum gleichen Ganzen. Durch das außerordentliche Ausmaß ihrer Öffnungen (3 Meter breit und durchschnittlich 6 Meter hoch) und der Fenstertiefe (1,30 Meter) – also etwa dreimal so groß wie das der herkömmlichen Wohn- und Bürobauten – wirkt die neue Spreefassade als die ‚Loggienfassade‘ eines öffentlichen Gebäudes. Erwähnenswert ist auch der öffentliche Platz an der Spree, den es hier zuvor niemals gab.
Die Portale als ‚Stadt-Tore‘
Über die Vorgaben des Wettbewerbs hinaus wurden alle fünf Schlossportale samt ihren Atrien und Durchfahrten vollständig rekonstruiert. Damit gewinnen auch die drei Portale des ehemaligen Eosanderhofs ihre ursprüngliche Bedeutung als ‚Stadt-Tore‘– im Sinne des Übergangs zwischen öffentlichen Plätzen – zurück. Ein zusätzliches, neues Portal entsteht in den mittleren Achsen des neuen Spreeflügels.
Die Höfe als ‚Piazza‘
Die vier innerhalb des Gebäudes errichteten neuen Baukörper sind der Idee der Höfe als Piazza verpflichtet. Deswegen sind sie auf die rekonstruierten Schlossportale des ehemaligen Eosanderhofes bezogen: die Schloss-Passage auf die gegenüberliegenden Portale zum Schlossplatz und zum Lustgarten, das Humboldt-Foyer auf das westliche Portal zur Schlossfreiheit.

Der Schlüterhof – mit drei rekonstruierten barocken Flügeln und dem modernen westlichen Flügel. Quelle: Franco Stella
Der Schlüterhof als ‚Theater-Piazza‘
Wie die rekonstruierten barocken Fassaden ist auch der neue Baukörper, der das vorbarocke Quergebäude ersetzt, vom Motiv der steinernen Loggien in den zwei unteren Geschossen geprägt. Damit wird die Idee Schlüters, diesem Hof des Zeremoniells den szenografischen Charakter einer Theater-Piazza zu verleihen, übernommen und vervollständigt. Mit ihren Cafés und Restaurants wird sie ein attraktiver Ort der Stadt für Begegnungen und zum Verweilen, für Theater- und Musikaufführungen sein.
Die Schloss-Passage als ‚Forum‘
Die öffentliche Schloss-Passage, die quer durch das Gebäude verläuft, verbindet die beiden triumphalen Portale, die als Ein- und Ausgänge des Schlosses dienten. Die neuen, mit architektonischen Säulenordnungen versehenen Längsfassaden bilden eine ‚via colonnata‘. Durch das Zusammenspiel aus Altem und Neuem entsteht ein Ort, der an die Piazza des antiken römischen Forums erinnert. Es geht um einen Ort inmitten des Gebäudes und gleichzeitig einen Platz in der Mitte der Stadt. Die Säulenhalle des Alten Museums im Blick durch das nördliche Portal und die Achse der Breiten Straße, einer Hauptstraße der mittelalterlichen Stadt, im Blick durch das südliche Portal lassen die enge Beziehung zwischen der Stadt und dem Schloss erleben.
Das Humboldt-Foyer als ‚Theater‘
Das Zusammenspiel von Altem und Neuem verleiht der kubischen Empfangs- und Veranstaltungshalle des Humboldt-Foyers den Charakter eines Theaters: der rekonstruierte Triumphbogen steht für die scenae frons (Bühnenwand) – vergleichbar derjenigen des Teatro Olimpico von Andrea Palladio in Vicenza – und die neuen Galerien erinnern an die Logen der Zuschauer.
Zusammenfassung
Aufgrund seiner fünf Portale als Stadttore und drei Höfe als Stadtplätze könnte man das neue Schloss als eine „Stadt in der Form eines Palastes“ definieren. Die Verschmelzung der Stadt mit dem Gebäude durch drei Achsen öffentlicher Räume ist vielleicht sein wichtigstes Kennzeichen. Die äußeren umliegenden Plätze verbinden sich mit seinen Höfen zu einem großzügigen öffentlichen Raum mitten im Herzen Berlins: das Humboldt Forum, der angesagte Ort der Begegnungen mit den Kulturen der Welt, wird zugleich ein attraktiver Ort für das alltägliche Leben der Berliner sein.
Die Identität der Stadtmitte
Mit der Rekonstruktion des Schlosses geht auch die erneute Möglichkeit des Erlebnisses und Verständnisses der Stadtmitte einher, deren Identität mit dem Verlust des Schlosses verloren gegangen war. Die barocke Fassade stellt klar, dass das Schloss hier zuerst stand und die wichtigsten Plätze und Bauten der Mitte Berlins – etwa der Boulevard Unter den Linden oder die Museumsinsel mit ihren prächtigen Palästen – auf das Schloss bezogen waren.