Das Berliner Schloss als Hauptresidenz der Hohenzollern war seit jeher, besonders aber nach seinem Umbau durch Andreas Schlüter und später Johann Friedrich Eosander, die signifikanteste Präsentationsfläche des Königreichs Preußen für erlesene, repräsentative kunsthandwerkliche Objekte. Im 18. Jahrhundert dienten diesem Zweck vor allem die Paradekammern, in deren stakkatohaft aufeinander folgenden Räumen und Sälen die Krone und die Monarchie als Staat für ihre dynastischen und diplomatischen Gäste Status, Macht und finanzielles Vermögen mit solchen Prunkstücken dokumentierten. Einerseits waren die hier zusammengezogenen Objekte, etwa die kostbaren vergoldeten Silberarbeiten bis hin zum Musikerbalkon im Rittersaal, zusätzlich auch Elemente des Staatsschatzes, anderseits waren sie immanenter Teil der beeindruckenden Aufführung und Begleitung zeremonieller Abläufe – und dazu gehörten vor allem Möbel in reichster Dekoration und künstlerischer Ausformung, die dem Geschmack ihrer Zeit folgten und ihn zu größter Opulenz steigerten.

Schlafzimmer der Mecklenburgischen Wohnung im Berliner Schloß, Aufnahme um 1910 (Quelle: Repro privat)

Ausstellungskoje in der deutschen kunstgewerblichen Abteilung auf der Pariser Weltausstellung 1900 mit Möbeln von Julius Zwiener, Adolf Hoffmann, Franz Borchmann und Heinrich Preetz (Quelle: Repro privat)

Julius Zwiener, Kommode aus dem Großen Salon der Mecklenburgischen Wohnung (z.Zt. nicht nachweisbar), 1898/1899 (Quelle: Repro privat)

Großer Salon der Mecklenburgischen Wohnung im Berliner Schloß, Aufnahme um 1910 (Quelle: Repro privat)
Diese grundsätzliche Strategie änderte sich auch im 19. Jahrhundert nicht, insbesondere Friedrich Wilhelm III. und sein Sohn Friedrich Wilhelm IV. widmeten der Vervollkommnung der Paradekammern mit neuem Mobiliar und wiederaufgefundenen hohenzollernschen Antiquitäten größte Aufmerksamkeit, um die Anciennität dieses hervorgehobenen Staatsareals sinnstiftend zu vermitteln. Wilhelm I. wiederum, der keine Wohnung im Schloss innehatte, ließ vor allem Gästeappartements wie die Hohenzollernwohnung oder die Königin-Mutter-Kammern um- und neugestalten, wo insbesondere Ludwig Ferdinand Hesse neue Ausstattungen und Möbel entwarf oder auf dem französischen Markt kostbare Stücke erworben wurden. Die zahlreichen historischen Fotografien, die das Berliner Atelier Jamrath von diesen neu dekorierten Appartements anzufertigen hatte, vermitteln zugleich die Werbewirksamkeit, die man sich offenbar von diesen modernen Raumgestaltungen seitens der Krone versprach.
Als Wilhelm II. 1888 den Thron bestieg, gehörte es zu seinen ersten Maßnahmen, den Wohnsitz des preußischen Königs und deutschen Kaisers zurück ins Berliner Schloss zu verlegen. Wie schon Friedrich Wilhelm IV. richtete er sein Appartement in den ehemaligen Wohnräumen Friedrichs des Großen ein – eine sowohl für die breite Öffentlichkeit als auch für die politische Bühne ostentative und wirksame Absichtserklärung. Zudem dürften ihm auch die Pläne seines Vaters, Kaiser Friedrichs III., zur „Vollendung des Königlichen Schlosses in Berlin“ aus den ersten Wochen von dessen kurzer Regierungszeit nicht unbekannt gewesen sein. Noch als Kronprinz hatte Friedrich III. mit seinem bevorzugten Architekten Julius Raschdorff die Neuorganisation und Umgestaltung der Residenz entworfen, die aber zugleich in ihrer Erneuerungswucht dem historischen Bau Gewalt angetan hätten und daher unter seinem Sohn nicht weiterverfolgt wurden. Jedoch ließ Wilhelm II. im Rahmen der historischen vorgegebenen Gestalt des Schlosses, die seiner nach Meinung immer die Prämissen bei der Stilwahl von Neugestaltungen vorgab, sowohl seine Wohnung als auch weitere Räume und Säle des Schlosses im Laufe seiner Regierung prunkvoll erneuern und kostbar ausstatten.
Vor allem mit Luxuskunsthandwerk aus den von ihm geförderten Werkstätten in Berlin und Potsdam (u.a. Zwiener, Hoffmann, Rohloff, Preetz, Borchmann) wollte Wilhelm II. der Welt vor Augen führen, dass das deutsche Kaiserreich mit der künstlerischen Hegemonialmacht Frankreich auf Augenhöhe agiert. Der Monarch begriff die kulturelle Aufholjagd des Kaiserreichs mit dem in der Öffentlichkeit viel verwendeten Begriff als „Kampf“, in dem er sich als Impuls- und Auftraggeber für seine einheimischen Kunsthandwerker gleichsam als Anführer der Nation zu bewähren hatte. Im Zentrum dieser Bemühungen stand dabei die Leitgattung des „Kunstmöbels“ mit zumeist kostbaren farbigen Marketerien und vor allem einem hervorstechenden Reichtum von kunstvoll ausgearbeiteten feuervergoldeten Bronzen. Auf diesem Gebiet engagierte er sich vor allem auf den Weltausstellungen 1900 in Paris und 1904 in St. Louis, wo auf seine Bestellungen hin hochgeschätzte, kostspielige Objekte hergestellt und präsentiert wurden, die später im Berliner Schloss ihre endgültige Aufstellung erfuhren, vor allem in der Mecklenburgischen Wohnung, den Wilhelms-Kammern oder den Königskammern.
Im Zentrum dieses direkten Messens in der Arena des „Kunstmöbels“ mit Frankreich stand der aus Paris abgeworbene Ebenist Julius Zwiener, der Berlin zu einem ganz neuen Qualitätsniveau auf diesem Gebiet führen sollte. Etliche lukrative kaiserliche Aufträge verhalfen Zwiener schnell zu ansehnlichem materiellen und auch öffentlich wahrgenommenen Erfolg, der auch ein – vor allem publizistisch umgemünzter – Gewinn gegen Frankreich war. Als allerdings der Schwung der Weltausstellungen gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts bei Wilhelm II. erlahmte, geriet Zwiener in finanzielle Schwierigkeiten, die fast zum Offenbarungseid geführt hätten. Die Absicht Wilhelms II., dass die finanzkräftige Aristokratie und das gehobene Bürgertum seinem Beispiel folgen sollten, um bei den von ihm geförderten Werkstätten Luxusmöbel zu ordern, ging offenbar nicht so auf wie erhofft.
Als nach 1918 diese politischen Konnotationen für solch kostspieliges Mobiliar entfielen, verschwanden nicht nur die einst hochgelobten Objekte aus dem Berliner Schloss in Doorn oder im Nirgendwo, sondern auch die Berliner und Potsdamer Hersteller waren nunmehr nur noch Produzenten eines Nischenprodukts, das allerdings nicht völlig von der Bildfläche verschwand. Nach Zwieners Tod 1922 fertige die Nachfolgefirma unter seinem Namen immerhin bis fast zum Kriegsende 1945 vor allem Möbel in den französischen Stilen des 18. Jahrhunderts an. Eine Käuferschaft dafür hat es offenbar trotz der einflussreichen Moderne stets gegeben. Der große Möbelforscher Georg Himmelheber nannte das einst treffend den „immerwährenden Historismus“.